Lebenskunst

Die kleinen Zeichen am Wegesrand

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Eigentlich sind es gar keine kleinen Zeichen, sondern grosse Plakete gewesen, die heute morgen meine Aufmerksamkeit geweckt haben.

In der Regel ärgere ich mich über die viele Werbung in der Stadt, weil ich sie für überflüssig und manipulierend halte. Ich denke die Werbung hat einen sehr grossen Anteil daran, dass diese oft gedankenlose Konsumparty, die viele von uns feiern, immer noch funktioniert. Werbung verführt, das ist nichts Neues.

Und doch…

…Werbung hat auch andere Seiten. Sie informiert mich über den Puls der Zeit. Deshalb widme ich ihr heute meinen kurzen Blogbeitrag.

Auf dem Weg zur Tramhaltestelle gehe ich jeweils an einer Handvoll dieser übergrossen Werbeplakate vorbei.

Das erste, welches ich heute morgen wahrgenommen habe, zeigte Werbung für Solarstrom, also für erneuerbare Energien, das zweite warb für eine Plattform für gebrauchte Konsumgüter, ein Aufruf zu mehr Suffizienz. Und das dritte zeigte Möglichkeiten für Ferien in der Schweiz und gab so einen Impuls nachhaltiger zu reisen.

Diese drei Plakate, welche alle auf ihre Art und Weise Alternativen zu unseren aktuellen Handlungsweisen zeigen, standen dicht nebeneinander. 

Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber für mich ist dies ein kleines, aber feines Zeichen, dass sich etwas verändert. Wenn Firmen beginnen ihr Werbebudget für das Zeigen von echten Alternativen einzusetzen, wenn Teile der Wirtschaft beginnen, selber neue, verantwortungsvollere Lösungen zu entwickeln, dann macht mich das hoffnungsvoll.

Und es war nicht nur ein Plakat. Es waren drei nebeneinander. Vielleicht war es Zufall, aber ich sehe es als ein ganz kleines Signal, dass doch viel mehr möglich ist, als wir alle denken.

Vor kurzem hatte ich ein sehr inspirierendes Gespräch mit dem Geschäftsführer von Rotauf. Vor einigen Wochen habe ich ihr Crowdfunding unterstützt und ihn nun persönlich kennengelernt. Lokal, nachhaltig und verantwortungsvoll zu produzieren braucht viel Kreativität, Geduld und Überzeugungskraft. Und es ist möglich. Diese Initiative ist nur ein von den vielen verantwortungsvollen Geschäftsideen, die gerade in die Tat umgesetzt werden.

Wichtig ist, dass wir sie wahrnehmen und wichtig ist auch, dass wir sie unterstützen. Dies können wir alle tun, indem wir achtsamer konsumieren und uns die Zeit dafür nehmen, gute (Kauf-) Entscheidungen zu treffen. Gut für uns und gut für unsere Umwelt.

Was wäre, wenn es irgendwann wieder ganz normal ist, dass unsere Möbel zeitlos schön sind und uns unser Leben lang begleiten. Was wäre, wenn es selbstverständlich ist, dass unsere Kleidung vor unserer Haustür produziert wird und wir mit dem Geld, welches wir für diese Dinge ausgeben, Arbeitsplätze in unserer unmittelbaren Umgebung finanzieren?

Utopie? Zu teuer? Zu kompliziert?

Nein, es ist nur noch nicht überall angekommen, dass es auch anders gehen kann.

Werbung in der Stadt finde ich weiterhin nicht so optimal. Ein paar schöne Kunstwerke, ein paar Bäume und Pflanzen, wäre mir persönlich viel lieber als Plakate, die zu irgendeiner Form von Konsum auffordern. 

Doch heute morgen bin ich für einmal dankbar für die Plakate, denn sonst hätte ich vielleicht verpasst, dass sich Dinge gerade Schritt für Schritt zum Positiven verändern.

Suffizienz und Lebenskunst

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Mit Beginn des Sommers habe ich das Schreiben unterbrochen, und diesen Blog für einen kleinen Augenblick ruhen lassen. Nun, nach den Sommerferien, die ich im Jura, im Tessin und in den Bündner Bergen verbracht habe, beginne ich wieder Freude daran zu bekommen, Gedanken in Worte zu fassen. Somit beginne ich langsam wieder mit dem Schreiben und schaue, wohin es mich führt.

Obwohl ich in einem früheren Beitrag schon einmal das, was ich mit Suffizienz verbinde, erläutert habe, möchte ich an dieser Stelle nochmals beleuchten, wieso für mich und mein Handeln die Suche nach einem suffizienten Lebensstil so wichtig ist.

Eigentlich gibt es viel schönere Worte, um das, was ich mit dem Wort Suffizienz ausdrücken möchte, zu beschreiben.

Genügsamkeit, das rechte Mass, Entschleunigung, Demut sind einige dieser Worte. Ich benutze sie gerne, höre sie jedoch selten. Dies liegt vielleicht daran, dass sie für manche Menschen einen noch schlechteren Ruf als Suffizienz haben. Ich werde in den nächsten Sätzen versuchen zu erläutern, warum ich diese Worte und die damit verbundenen Werte und Handlungsweisen so erstrebenswert finde.

Suffizienz steht gemäss Wikipedia für ein Leben und Handeln mit möglichst wenig Ressourcenverbrauch. „Sufficio“ hat im Lateinischen verschiedene Bedeutungen und wird häufig mit „genügend, ausreichend“ übersetzt. Eine weiter Bedeutung ist jedoch auch: „jemanden als Ersatz benennen, ersetzen“. 

Für mich selber ist das Forschen nach einem Ersatz, und damit meine ich die Suche nach einer besseren, verantwortungsvolleren Weise des Handelns oder des Konsumierens eine Art Lebensauftrag. Es ist einer der für mich wichtigen Schlüssel für gutes Leben.

Ich versuche, mich bei den Dingen, die ich tue, die ich konsumiere, die ich sage, immer wieder zu fragen: 

Gibt es eine bessere Art für mein Handeln?

Und mit besser meine ich etwas, das besser ist für mich und mein Wohlbefinden und für alles, was von meinem Handeln beeinflusst wird. Ich meine damit ein Handeln, welches der Umwelt nicht schadet und keinem anderen Wesen Leid zufügt.

Weniger ist mehr – das ist das Losungswort zum Eintritt in die Welt der Suffizienz. Ich geniesse es mich auf das zu konzentrieren, was ich wirklich brauche und benutze. Damit bin ich nicht alleine. Inzwischen scheint es überall Ratgeber, Bücher und Online Foren zu geben, die sich mit dem Reduzieren und Vereinfachen des Lebens beschäftigen. Eine kurze Suche bei Ecosia ergibt Lesestoff für mehrere Tage und auch die Webeite Utopia ist mit ihren Artikeln immer wieder ein inspirierender Ausgangspunkt für die Recherche im Netz.

In Bezug auf einen Aspekt des Lebens bedeutet Suffizienz für mich genau das Gegenteil von „weniger ist mehr“ und hier beginnt die Lebenskunst, das gute Leben für mich. Je mehr ich reduziere, desto mehr Zeit habe ich. 

Zeit haben heisst frei entscheiden zu können, wofür ich meine Zeit nutze. Dies ist für mich unendlich wertvoll. 

Die Zeit für ein gutes Gespräch haben.

Zeit mit Menschen verbringen, die mich inspirieren.

Singen, Lachen, Tanzen…

Ein gutes Buch lesen.

Meine Gedanken in Worte fassen.

In der Natur sein.

Diese Dinge sind mir wichtig.

«Weniger ist mehr» bedeutet, dass ich an vielen Stellen immer weniger Geld ausgebe. Somit bin ich auch immer weniger abhängig davon, Geld verdienen zu müssen. Natürlich bin ich noch sehr weit davon entfernt, mein Geld so zu erwirtschaften, wie es Tim Ferris mal vor einigen Jahren in seinem Buch „Die 4 Stunden Woche“ beschrieben hat. Seine Vorstellung vom guten Leben ist irgendwie doch etwas anders als meine. Dazu arbeite ich wohl auch viel zu gerne und ich bin auch nicht sicher, ob das Vorgehen, so wie er es beschreibt für mich wirklich erstrebenswert ist. Und doch, ich habe das Buch gerne gelesen, es hat mir damals wichtige Impulse für meinen eigenen Weg gegeben. 

Ein Job, mit dem ich Wirkung erziele und meine Visionen vom verantwortungsvollen Leben mitgestalten kann, ist mir wichtig. Auch dafür brauche ich Zeit. Also habe ich mich auf die Suche gemacht und begonnen mein Leben so zu gestalten, wie es mir gut tut.

Dass dies dazu geführt, dass ich immer weniger brauche, ist in manchen Lebensbereichen eher Zufall, das gebe ich zu. Vielleicht ist es aber auch einfach eine wichtige Bedingung für ein gutes Leben: Immer nur das, was wir wirklich brauchen, für uns selber zu beanspruchen und alles andere dort lassen, wo es ist, statt unser Leben damit zu überfüllen.