Für den Moment möchte ich noch ein wenig bei der Wirkung des Geldfastens verweilen. Natürlich bin in nicht die erste, die sich über den Verzicht von Geld Gedanken macht. Im Internet gibt es inzwischen unzählige Artikel zum Leben ohne Geld. Es gibt auch einige Menschen, die für mehrere Jahre vollständig ohne Geld gelebt haben und über ihre Erfahrungen berichtet haben.
Heute möchte ich Menschen erwähnen, die mich auf meinem Weg inspiriert haben und von denen ich auf die unterschiedlichste Art und Weise lernen konnte. Die kommenden Absätze sind bewusst mit verschiedenen Links versehen, damit jene, die sich auf eigenen Wegen dem Thema nähern wollen, weiterlesen und weiterforschen können.
Raphael Fellmer zum Beispiel hat von 2010 bis 2015 in einem vollständigen Geldstreik gelebt. Daraus resultierte unter anderem die Gründung von Foodsharing Deutschland, einer Bewegung, aus welcher heraus Tausende Menschen einen neuen Umgang mit Lebensmittelverschwendung entwickelt haben. Auch in der Schweiz ist Foodsharing nun schon seit Jahren etabliert und erfolgreich. Raphael Fellmers aktuelles Projekt ist sirplus, ein Onlinesupermarkt geschaffen zur Rettung von Lebensmitteln. Raphael war es wichtig, auf die Art wie wir häufig gedankenlos konsumieren, aufmerksam zu machen. Vor der Wirkung, die seine Initiative erzeugt hat, verbeuge ich mich. Wobei er war natürlich nicht alleine unterwegs. Der Aufbau von Foodsharing hat viele Hände, Köpfe und Herzen gebraucht. Sein Impuls war jedoch äusserst wirkungsvoll. Eine nachhaltige Wirkung des vollständigen Verzichts auf Einnahmen und Ausgaben einer Person ist in diesem Fall zu einer Bewegung geworden: dem Foodsharing.
Meine erste Begegnung mit dem Thema Geldverzicht liegt nun schon viele Jahre zurück. Im Jahr 2001 habe ich von Heidemarie Schwermer gehört bzw. im Fernsehen eine Reportage über sie gesehen. In diesem Jahr brachte Sie ihr Buch «Das Sterntalerexperiment: mein Leben ohne Geld» heraus. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2016 hat sie 20 Jahre fast vollständig ohne Geld gelebt. Mich hat das beeindruckt, doch irgendwie war mir klar: Dies ist nicht mein Weg. Auch bei ihr waren Kompromisse notwendig und häufig bekam sie den Vorwurf zu hören, dass sie zwar nicht vom eigenen Geld lebt, jedoch vom Geld der anderen. Für mich kann der vollständige Geldverzicht in unserer durch das Geld bestimmten Gesellschaft auch nicht die Lösung sein. Und trotzdem, was Heidemarie Schwermer mir gezeigt hat ist, dass es für eine einzelne Person möglich ist, so gut wie ohne Geld zu leben. Auch dies ist eine wichtige Wirkung.
Beim Vorbereiten der Links für diesen Blogeintrag bin ich auf den Artikel «Leben ohne Geld- geht das?» gestossen. Dabei ist mir noch deutlicher als bisher klar geworden, wie gross die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Verzicht auf Geld schon heute in einem Teil der Gesellschaft verankert ist. Initiativen wie Couchsurfing, Kleidertausch, carsharing oder book crossing sind in vielen Kreisen etabliert und auch eine Art auf die Verwendung von Geld zu verzichten.
Auch wenn ich selber die Entscheidung getroffen habe, für den jetzigen Augenblick weiterhin ein aktiver Teil des aktuellen Wirtschafts- und Geldsystems zu bleiben, so habe ich für mich und mein Leben über die letzten Jahre eine grosse Geldfreiheit erschaffen, ein Begriff, den ich mir von Tobi Rosswog ausgeliehen habe. Auch er ist ein sehr inspirierender Geist. In seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Geld begründen die unterschiedlichsten Initiativen, die unsere Welt ein klein wenig verantwortungsvoller machen wollen. Ihm geht es, wie auch mir, nicht darum, vollständig ohne Geld zu leben, sondern sich von der Macht des Geldes zu befreien. Der Macht des Geldes werde ich noch einen Abschnitt in einem separaten Blogbeitrag widmen, denn ich denke dahinter liegt der Schlüssel zu einer sehr wichtigen Wirkung des Geldfastens verborgen.
Unter Geldfreiheit verstehe ich einen Zustand, in dem ich das Geld als eine liebevolle und hilfreiche Unterstützung in der Erfüllung meiner Bedürfnisse und Wünsche sehen kann. Geld als ermöglichende Ressource, im Wissen, dass auch ohne die Abhängigkeit von Geld ein lebenswertes Leben möglich ist.
Geldfreiheit im Sinne von das Geld als eine liebevolle und hilfreiche Unterstützung, aber nicht als absolut notwendig zu sehen ist für mich im Moment das wichtigste und wirkungsvollste Ergebnis von meiner Auseinandersetzung mit Geldfasten. Unabhängig vom Geld zu sein erlaubt uns, wieder Lebensentscheidungen zu treffen, die unseren ganz persönlichen Bedürfnissen und Lebensentwürfen entsprechen. Es muss nicht unbedingt ein Leben aus dem Abfallcontainer sein, aber wenn jede von uns beginnt achtsame Geldentscheidungen zu treffen, werden wir bemerken, wieviel weniger Geld bei wieviel mehr Lebensfreude möglich sein kann. Ich selbst bin übrigens über Umwege ebenfalls zum Containern gekommen. Damals als Lauren Wildbolz im Rahmen ihrer Studienarbeit zum Kochen mit Abfällen einlud, habe ich mich aus Neugier angemeldet. Wie so häufig, hatte ich «das Kleingedruckte“ nicht gelesen und mich einfach zum Ort begeben, der als Treffpunkt angegeben war. Was ich nicht wusste, war, dass wir die Zutaten für unser Abendessen noch selber aus den Containern eines nahegelegenen Supermarktes in Zürich Altstetten holen mussten. Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wie entsetzt ich war, als ich all die Lebensmittel im Müll entdeckte. Zum Teil originalverpackt und so gut wie alles noch frisch und unbeschädigt.
Geldfasten und bewusste, verantwortungsvolle Konsumentscheidungen gehören meiner Ansicht nach eng zusammen. In den heutigen Blog ging es um Konsum Verzicht, im nächsten Beitrag werde ich wieder fokussierter der Spur des Geldes folgen. Und natürlich braucht es auch noch eine Auseinandersetzung, was nun mit all dem nicht ausgegebenen Geld geschehen soll. In den Blogbeiträgen während der Woche, in der ich faste und damit auch Geld faste, möchte ich über die Wirkung des Verzichts auf meine ganz persönlichen Lebensbedingungen nachdenken. Aber vergessen wir nicht, es gibt andere Menschen, die den Luxus, sich über Geldverzicht Gedanken zu machen, gar nicht haben. Weil sie von allem zu wenig besitzen: Nahrungsmittel, Bildung, Unterkunft. Hier ist ein Geldfasten bestimmt nicht die erste Priorität. Aber vielleicht schaffe ich es ja, dass mein Weniger an einem anderen Ort zu einem Mehr wird? Noch eine Spur, die ich weiter verfolgen möchte.
Dieser Artikel ist ein Beitrag im Kontext unserer Fastenwoche 2020