Wenn Geldflüsse unterbrochen werden: Führt der Coronavirus zu unfreiwilligem Geldfasten?

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Natürlich beschäftigt auch mich im Augenblick der Coronavirus. Spannend, dass dies Ereignis zufällig in diese Fastenzeit fällt.

Die Massnahmen, mit welchen man die Entwicklung in den Griff zu bekommen versucht, führen auf ganz unterschiedliche Weise auch dazu, dass auf viele unterschiedliche Dinge verzichtet werden muss. Freiwillig und unfreiwillig.

In der Schweiz wurden so unterschiedliche Dinge wie die Basler Fasnacht und der Genfer Autosalon sowie alle weiteren Grossveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmenden bis mindestens 15. März ver- boten. 

Die NZZ sprach Ende Februar in dem Artikel «Coronavirus weltweit, die neusten Entwicklungen» von 2900 Todesopfern weltweit, Tendenz steigend. Insgesamt sind mehr als 80.000 Personen, verteilt auf mehr als 50 Länder, erkrankt. Europa verzeichnet bisher 36 Tote (Stand 2. März 2020), davon 34 in Italien, 2 in Frankreich. Die weitere Entwicklung können wir täglich über die Medien unserer Wahl verfolgen.

Die Lieferketten in der Technologie- und Textilbranche, unsere geliebten Smartphones und die neuesten Modekollektionen, sind in Gefahr, so heisst es. Der Produktionsstopp in China in den letzten Wochen beeinflusst unseren Konsum. Lange können die Maschinen nicht mehr stillstehen. Der Einfluss auf unsere Wirtschaft- und unser Geldsystem wird immer grösser und sichtbarer.

Ich bin keine professionelle Researcherin und mir ist auch bewusst, dass wir im Zeitalter der Fake News leben, aber je mehr ich in das Thema eintauche, desto präsenter wird die Frage, ob in dieser aktuellen Krise die Wirkung von Geldflüssen (durch deren Ausbleiben) gerade sichtbarer wird als sonst. Noch vor einem Moment war der Geldfluss relativ stabil. Nun versiegt er an verschiedenen Orten gleichzeitig bei ganz unterschiedlichen Personen auf unterschiedliche Weise.

Zur Erinnerung:

Die Anzahl der weltweit hungernden Menschen beträgt 822 Millionen Menschen, dies sind 11% der Weltbevölkerung. Diese Zahlen stammen von der Webseite der Welthungerhilfe. Die UNHCR spricht im Sommer 2019 davon, dass zum ersten Mal mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Statistiken und Zahlen finden sich zum Beispiel hier

Auch zu Krieg und Hunger könnten wir tagesaktuell alle Fakten über die unterschiedlichsten Quellen zusammentragen. Wir tun es nicht, vielleicht weil es uns nicht persönlich betrifft.

Jeder Mensch ist wertvoll, jede der drei hier beschriebenen Situationen, Krankheit, Hunger, Flucht, erfordert Mitgefühl, Respekt, Achtsamkeit aber auch unser aktives Hinschauen und angemessenes, zeitnahes Handeln.

Doch warum führt die Furcht vor einer Corona-Epidemie, ähnlich wie die SARS-Pandemie 2002/2003 zu einer Änderung des Kaufverhaltens?

Menschen decken sich mit Schutzmasken und lange haltbaren Lebensmitteln ein, vermeiden Reisen und verbieten Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmenden.  Über die Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Schweizer berichtet zum Beispiel die NZZ am 29.02.2020 in einem Artikel.

Wäre es hier angemessen von einer Art Geldfasten zu sprechen, welche von aussen erzwungen wurde? Aber nein, Fasten ist etwas Freiwilliges, also muss Geldfasten auch auf freiwilliger Basis geschehen.

Die Corona-Krise führt zu unerwarteten Umsatzsteigerungen in der Pharmaindustrie. Gesichtsmasken sind ausverkauft, bei den Schmerzmitteln werden die Vorräte knapp. Es wird von Hamsterkäufen berichtet, die durch ausführliche Medienberichterstattung noch weiter gefördert wird. Manche sprechen von bewusster Steuerung der Panik und des Kaufverhaltens. Soweit möchte ich nicht gehen. An dieser Stelle wird definitiv nicht gefastet. Das Kontroll- und Schutzbedürfnis des einzelnen Menschen schlägt durch. 

Die Frage bleibt jedoch: Warum handeln wir als Gesellschaft, Behörde, Unternehmen oder auch einzelne Person gerade jetzt so schnell und hoffentlich auch wirkungsvoll, wenn wir Grossveranstaltungen und Reisetätigkeiten überdenken. Warum tun wir genau dies in anderen Fällen nicht?

Hat es damit zu tun, dass wir für eine Eindämmung des Hungers auf der Welt und für die Lösung der Herausforderungen, welche die Flüchtlingsströme uns aufzeigen unser eigenes Konsum- und Geldverhalten zugunsten anderer ändern müssen, unser persönliches Verhalten überdenken müssen, auf Geld verzichten müssen? Kann es sein, dass wir unser zum Teil hart erarbeitetes Geld nur für uns und unser Wohl nutzen wollen und einfach nicht mehr teilen können?

Es gibt auch Beispiele, die genau das Gegenteil zeigen. The Giving Pledge machen es vor. Sie verpflichten sich, einen Teil ihres Vermögens zurück in den Fluss zu bringen. Es bleibt anzumerken, dass anschliessend weiterhin eine vielleicht unvorstellbar grosse Summe Geld im Besitz dieser Spender verbleibt. Aber zugegeben, sie brechen das Muster des ständigen Geldsammeln und Geldhortens und versuchen ihr Geld sinnvoll zurück in den Kreislauf zu bringen. Geldfasten, im Sinne eines Verzichts Geld für sich selber auszugeben, kann zu Geldfülle an anderer Stelle führen, wenn weise Geldentscheidungen getroffen werden.

Auch bei dieser Art Entscheidung ist es nicht immer leicht, das Richtige zu tun, denn es gibt kein entweder oder kein schwarz oder weiss.

Situationen wie der Coronavirus fordern uns auf, zu lernen und uns vor allen Dingen uns mit unseren eigenen Bedürfnissen und Ängsten zu beschäftigen. Diese Situationen fordern uns auf uns selber zu schützen, ohne die anderen zu vergessen.

Im letzten Blog habe ich mir die Frage gestellt, was ich mit dem Geldbetrag mache, der beim Fasten entsteht, da ich, wie bereits im Blog erwähnt, in dieser Zeit so gut wie nichts ausgebe.

Mir persönlich – und dies ist mein ganz eigener Weg – zeigt die Auseinandersetzung mit dem Coronavirus, dass ich wieder mehr auf die in Vergessenheit geratenen Themen schauen muss, darüber nachdenken muss, wie ich zu weniger Hunger, weniger Flüchtlingsströmen in der Welt beitragen kann.

Auf den Coronavirus bin ich durch mein Alter, meine privilegierte Lebensweise, meinen gesunden Körper und mein bewusstes Reiseverhalten gut vorbereitet – hier gibt es derzeit für mich nichts zu tun, ausser Mitgefühl mit den einzelnen Schicksalen zu zeigen und auch den positiven Seiten Beachtung zu schenken. Denn diese gibt es tatsächlich auch.

Ein Artikel im Spiegel vom 1.März trägt den Titel «Coronavirus führt in China zu Rückgang der Luftverschmutzung». Wenn die Verbesserung der Luft in den betroffenen Städten weiter anhält, ist dies eine wirksame Massnahme für das Klima, ein Zeichen, was hoffentlich von den Verantwortlichen weise interpretiert wird und vielleicht dazu führen könnte, dass wir erkennen, dass weniger Produktion und Konsum mehr Lebensqualität bedeutet.

Dieser Artikel ist ein Beitrag im Kontext unserer Fastenwoche 2020 

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